Die CarminaRo Seite mit den Fotos von europäischen Städten und Landschaften
europa-tipps
europafotos
musiktipps
lesetipps
filmtipps
geschenktipps
Kontakt
Links

 

Nachts unter der steinernen Brücke

Das Geschehen am Hof Kaiser Rudolfs II, die magische Atmosphäre des prager Gettos, das Leben und Treiben in den winkeligenGassen, den Spelunken und Palästen dieserStadt der Künste und der Wissenschaften, der Dämonen und Gottsucher, der Wahrsager, Hofschranzen und Narren wird zum greifen lebendig in den novellenartigen Geschichten, die der weltbekannte und dennoch halb vergessene pragerdeutsche Erzähler Leo Perutz in “Nachts unter der steinernen Brücke” zu einem meisterhaft komponierten Roman vebindet.
Er handelt von der unmöglichen Liebe des kunstsinnigen böhmischen Kaisers zu Esther, der schönen Frau seines jüdischen Financiers Mordechai Meisl, die nur im Traum ERfüllung findet, wenn nachts der Rosenstrauch und der Rosmarin, die der wundersame Rabbi Loew gepflanzt hat, ihre Blüten zueinander neigen und der Kaiser vermeint, seine Geliebte in den Armen zu halten - soweit der Text der Innen kllappe einer schönen Neuauflage des wichtigsten Romans von Leo Perutz.

doch das ist nur die halbe Wahrheit. Wie Steffen Martus in seiner Rezension für die Berliner Zeitung am 10. März schrieb:

Perutz entwirft in vierzehn kleinen  Erzählungen ein historisches Spiegelkabinett Prags um 1600, in dem Spaßmacher auf Friedhöfen Erscheinungen der dritten Art haben, Adlige und Räuber dieselben  Geldsorgen plagen, abgehalfterte Hofnarren mühsam ihr Auskommen suchen und Diener als eigentliche Herren auftreten. Indem der Leser erst nach und nach  registriert, dass die Erzählungen nicht für sich stehen, sondern  zusammengehören, wird er zum konstruktiven Zentrum des Romans. Handlungsträger  von Erzählungen tauchen als Nebenpersonen oder Gesprächsthemen anderer Episoden  wieder auf, Ereignisse werden von verschiedenen Seiten aus reflektiert, und vor allem Mordechei Meisl wird als heimlicher Mittelpunkt des Prager Hofs erkennbar... Die souveräne Kreuzung der Grenze zwischen Traum und Wachen, zwischen  Irdischem und Ãœberirdischem, deutet nicht nur auf eine Verbindung des gebürtigen  Pragers Perutz zur fantastischen Literaturtradition seiner Geburtsstadt, sondern auch auf sein Faible für E. T. A. Hoffmann. Noch mehr aber verbindet ihn mit der Romantik die Aktivierung des Lesers und dessen kombinatorischen Vermögens, eine Art poetische Kabbalistik  also, die sich nicht im Inhaltlichen, in den sprechenden Tieren oder  Geistererscheinungen ausdrückt, sondern die künstlerische Form definiert.  "Willkür" ist in der Frühromantik der poetische Zentralbegriff einer Ãsthetik,  die sich den einfachen Lern- und Lehrprogrammen der Aufklärung verweigert. Dass  jede Geschichte ihren vom Leser einsehbaren Sinn bereits von Beginn an zeige und zu einem moralisch brauchbaren Ende führe, beruht demnach auf einem fast schon kindischen Glauben an eine Logik der Zweckmäßigkeit.